Interviews
Interview mit BSB Präsident Gert Rudolph zum Thema Energiekrise und Digitalisierung
Aufbruch ins Neue: Vereine starten durch!
Der neue Präsident des BSB Nord Gert Rudolph spricht im Interview über die Herausforderungen von Energiekrise und Digitalisierung
Am 25. Juni 2022 fand der 32. Sportbundtag des Badischen Sportbundes Nord statt. An diesem Tag wurden weitreichende Entscheidungen getroffen und die Weichen für die Zukunft des organisierten Vereinssports in Nordbaden gestellt – insbesondere, da es einen Wechsel in der Präsidentschaft des BSB Nord gab. Gert Rudolph wurde für die nächsten drei Jahre durch Vertreter*innen der Sportkreise, -vereine und -verbände in das Amt des Präsidenten gewählt.
Herr Rudolph, am 25. Juni wurden Sie zum Präsidenten des BSB Nord gewählt. Was war das für ein Gefühl, als Delegierte der Sportkreise, -vereine und-verbände Sie ins Amt wählten?
Ich war überwältigt von dem großen Zuspruch. Die vielen Gratulierenden und die zahlreichen persönlichen Worte, die mich erreichten, haben mich sehr bewegt. Ich bin stolz, ein Teil dieser großen Sportfamilie zu sein.
Sie möchten, nachdem die Sportkreise und -verbände die letzten sechs Jahre im Fokus standen, nun Ihr Augenmerk auf die Vereine legen. Gibt es schon konkrete Pläne für Ihre nächsten drei Jahre als Präsident? Welche Themen sind Ihnen wichtig?
Mein Ziel ist es, an einem Strategietag, der auf den 12.November terminiert ist, gemeinsam mit den Sportkreisen, den Fachverbänden, der Sportjugend und den Vereinen Anregungen und Impulse zu bekommen, mit denen dann konkrete Aufgaben und Ziele definiert werden. Was ich allerdings jetzt schon sagen kann, ist, dass die Themen der stark steigenden Energiekosten und die Mitgliedergewinnung nach Corona zentrale Themen sein werden.
Was verbindet Sie mit dem Sport, den Vereinen und den Menschen in den Vereinen? Wie sind Sie zum Sport und zu den Ehrenämtern im Sport gekommen?
Ich hatte das Glück in einer Familie aufzuwachsen, bei der der Sport im Verein ein wichtiger Mittelpunkt war und kann mich erinnern, dass meine Großmutter mit fast 90 Jahren immer noch an deutschen Turnfesten teilnahm. So kam ich sehr früh zum Sport und natürlich auch in Vereine. Die Sportart meiner Großeltern und meiner Eltern war Tennis, daher ist Tennis auch meine Sportart. Seit frühester Jugend bis heute nehme ich aktiv an den Verbandsspielen teil. Tja, und wenn man etwas gerne macht und einen nicht ganz unengagierten Eindruck hinterlässt, dann dauert es nicht lange bis man für ein Ehrenamt angesprochen wird. Erst war ich knapp 20 Jahre Sportwart der Tennisabteilung, dann zweiter Vorsitzender im Gesamtverein und seit 2003 erster Vorsitzender des SSC Karlsruhe, einem Mehrspartenverein mit etwa 7.500 Mitgliedern. Die Arbeit im Verein machte und macht mir viel Spaß. Insbesondere gemeinsam mit vielen sehr engagierten Ehrenamtlichen etwas zu bewegen und Kinder und Jugendliche in einem gesunden Verein aufwachsen zu sehen, das treibt mich an.
Sie sind als technologisch affiner Mensch bekannt. Haben Sie Pläne, die Digitalisierung im BSB Nord weiter voranzutreiben?
Digitalisierung ist ein wichtiges Thema nicht nur für den BSB Nord, sondern auch für Vereine. Nur so kann die zunehmende Verwaltungsarbeit bewältigt werden und nur so kann man jüngere Mitglieder für das Ehrenamt gewinnen. Beim BSB Nord sind Themen wie die Lernplattform blink.it für hybride Aus- und Fortbildung und der digitale Sportstättenatlas aktuell in Bearbeitung. Sicher werden im Laufe der Amtszeit noch weitere Themen rund um die Digitalisierung in den Fokus rücken. In jedem Fall werde ich Digitalisierungsvorhaben unterstützen, wo es möglich und sinnvoll ist.
Wir leben in einer Zeit der Umbrüche. Sehr viele flüchtende Menschen kommen in Baden -Württemberg an. Oft wird von den Sportvereinen gefordert als „Sozialer Kitt“ zu fungieren. Wie können wir, als Sportlandschaft, die flüchtenden Menschen und die Vereine unterstützen?
Das Leid der Flüchtenden ist groß, ihnen muss geholfen werden. Der organisierte Sport hat bereits reagiert, bekennt sich zur Integration der aus der Ukraine Geflüchteten und ist bereit, allen Geflüchteten die soziale Teilhabe zu ermöglichen. Durch das Projekt „Integration durch Sport“ wurde bereits eine sehr gute Verbindungsbrücke zu den geflüchteten Menschen geschaffen.
Nicht nur flüchtende Menschen beschäftigen das Sportsystem, auch die Energiekrise bedroht die Vereine, welche sich gerade erst von dem Mitgliederverlust der Coronapandemie erholen. Welche Hilfe können wir den Sportvereinen zukommen lassen? Wo sehen Sie Möglichkeiten, die Sportvereine und Verbände zu unterstützen und zu beraten?
Die stark steigenden Energiekosten werden ein zentrales Thema für Vereine und Verbände in naher Zukunft sein. Es droht die Gefahr, dass Vereine in Existenznot geraten. Ihnen muss geholfen werden. Zum einen kann der BSB hier präventiv unterstützen, in dem gemeinsam mit qualifizierten Energieberatern den Vereinen Hinweise und Hilfen beim Energiesparen gegeben werden. Des Weiteren müssen gemeinsam mit dem Land und dem Bund Förderprogramme bei speziell notwendigen energetischen Sanierungen aufgelegt werden, um Vereine hierbei zu unterstützen. Denkbar ist auch der Bau von Photovoltaikanlagen auf den Dächern von Sportanlagen, beispielsweise durch Partnerunternehmen, die die Energie dann kostengünstig an die Vereine weitergeben, ohne dass die Vereine große Investitionen stemmen müssen. Durch die in Baden-Württemberg bereits bestehende Photovoltaikpflicht beim Bau und der Sanierung von Sportstätten müssen sich die Vereine in jedem Fall mit diesem Thema beschäftigen. Auch hier kann der BSB Nord gemeinsam mit qualifizierten Fachfirmen beratend zur Seite stehen, wobei Themen wie die Zuschussfähigkeit von Photovoltaikanlagen und die bürokratischen Hürden bei Bau und Betrieb von PV-Anlagen, die für ehrenamtlich geführte Vereine eine zusätzliche Belastung darstellen proaktiv angegangen werden müssen.
Was wünschen Sie sich von den Vereinen, Verbänden und Sportkreisen sowie Ihren Kolleg*innen aus dem Präsidium und der Geschäftsstelle für die nächsten drei Jahre?
Ich wünsche mir eine weiterhin offene, vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit auf allen Ebenen. Wir alle sind gemeinsam Teil der großen Sportfamilie und haben ein gemeinsames Ziel, das uns verbindet. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass der Sport in unserem Land eine gute Zukunft hat. Dazu möchte ich gerne gemeinsam mit allen in den Sportvereinen, Sportkreisen, Fachverbänden und Sportbünden ehren- und hauptamtlichen Engagierten meinen Teil dazu beitragen. Ich freue mich darauf.
Gert Rudolph, herzlichen Glückwunsch noch einmal zu Ihrer Wahl als Präsident des Badischen Sportbundes Nord und viel Erfolg in den nächsten drei Jahren.
Das Interview führte Tim Geißler
Sommerinterview mit Gert Rudolph zum neuen Strategieplan des BSB Nord
Redaktion BSB Nord:Sehr geehrter Herr Rudolph, wir freuen uns dieses Interview mit Ihnen zu führen. Lassen Sie uns direkt in das Thema einsteigen: Der neue „Strategieplan des Badischen Sportbunds Nord“ (BSB Nord) verdeutlicht die Zukunftsorientierung des BSB Nord. Er basiert auf den Ergebnissen des Strategietags aus dem letzten Jahr. Wie würden Sie die aktuelle Lage und die Herausforderungen für unsere Sportvereine, Fachverbände und Sportkreise beschreiben?
Gert Rudolph: Sportvereine, Sportkreise und Fachverbände spielen eine tragende Rolle in unserer Gesellschaft. Vereine sind gelebte Demokratie, das kann man nicht früh genug lernen. Sport vermittelt elementare Werte wie Respekt, Toleranz, Fairness, Disziplin und ist von hoher Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen. Darüber hinaus leisten Sportvereine konkrete Daseinsvorsorge. Sei es die Betreuung sowie die motorische Grundausbildung von Kindern und Jugendlichen, Gesundheitsvorsorge, die Vermittlung sozialer Kompetenzen, die Inklusion von Menschen mit und ohne Behinderung oder die Integration von neuen Bürgerinnen und Bürgern, um nur einige wenige Aspekte konkret zu benennen. Vereine bedeuten Gemeinschaft, Annäherung und Zusammenhalt, danach lechzt die Bevölkerung in der aktuell nicht einfachen Zeit. Doch die Erfüllung all dieser Aufgaben erfordern neben hohem Engagement große personelle und finanzielle Ressourcen. Es bedarf täglich großer Anstrengungen von vielen ehrenamtlichen Menschen, um die Vereinskultur in Deutschland aufrechtzuerhalten, die immerhin von der UNESCO zum immateriellen Weltkulturerbe gekürt wurde. Unsere Vereine stehen also vor komplexen Herausforderungen wie der Mitgliedergewinnung und bürokratischen Belastungen. Unser Ziel ist es, die Vereine gezielt zu stärken und ihnen durch Unterstützung, Beratung sowie Informationsangebote Hilfen für die Zukunft zu bieten. So können sie Herausforderungen und eventuellen Krisen begegnen, denn wir müssen uns bewusst sein, dass Vereine nicht selbstverständlich sind.
Redaktion BSB Nord:Herr Rudolph, der Strategieplan des BSB Nord spricht die vielfältigen Herausforderungen an, mit denen Vereine gerade in schwierigen Zeiten konfrontiert sind. Wie gedenkt der BSB Nord die Vereine zu unterstützen und vor existenziellen Bedrohungen zu schützen?
Gert Rudolph: Wir sehen vor allem in Krisenzeiten, wie schwierig es ist, die vielfältigen Aufgaben (ehrenamtlich) zu stemmen. Unser Ziel ist es, die Vereinslandschaft und -strukturen fit für die Zukunft zu machen, sei es durch zeitgemäße Aus- und Fortbildungsangebote durch Fördermittel des Landes Baden-Württemberg oder durch konkrete Beratungen und den Ausbau unseres Netzwerkes, um Vereine auch bei Themen wie energetischer Sanierung helfen zu können, die nicht das Kerngeschäft des Sports, aber trotzdem wichtig sind. Durch eine enge Kommunikation zwischen Vereinen, Verbänden, Politik, Kommunen und lokalen Akteuren wollen wir den Austausch von Know-how und Ressourcen ermöglichen, um so gemeinsam Lösungen zu finden.
Die Sicherung der WERT(E)vollen Arbeit der Sportvereine und gemeinnützigen Organisationen erfordert dabei politische und finanzielle Unterstützung. Wir setzen uns nachdrücklich dafür ein, dass die Bedeutung der Vereine in der Politik auf allen Ebenen präsent bleibt.
Redaktion BSB Nord:Unter dem Motto "Vereine stärken!" hat der BSB Nord Leitziele im Strategieplan des BSB Nord festgelegt. Könnten Sie uns diese Leitziele erläutern?
Gert Rudolph: Sehr gerne. Die Leitziele des Strategieplans sind die Eckpfeiler für unsere Vereinslandschaft. Hierzu zählen neben der digitalen auch die energetische Transformation, die Verbesserung der Sportförderung – quantitativ wie qualitativ, die vernetzte Sportvereinsentwicklung und die Stärkung des Ehrenamts. Sie werden durch die Sportvereine als "Orte des Miteinanders" geprägt. Wir möchten diese Ziele erreichen und haben dafür einen Aktionsplan entwickelt.
Redaktion BSB Nord: Lassen Sie uns genauer auf den Aktionsplan eingehen. Beginnen wir mit der energetischen Transformation. Welche Schwerpunkte setzt der BSB Nord in diesem Bereich?
Gert Rudolph: Wir erweitern die Kompetenz im Bereich der energetischen Sanierung und des Bauens und stellen dieses Know-how unseren Vereinen zur Verfügung, um Transformationsprozesse in Vereinen aktiv zu unterstützen. Ein wichtiger Fokus liegt zudem auf dem Thema Nachhaltigkeit. Wir setzen uns für eine langfristige Planung zur Nachhaltigkeit im organisierten Sport ein und arbeiten daran, die Voraussetzungen für eine koordinierte Sportraumentwicklung zu schaffen. Konkret sind wir in den letzten Monaten Kooperationen mit Energieversorgern, Klimaagenturen und Bürgerstiftungen eingegangen. Darüber hinaus stehen wir in Kontakt zu mehreren Bürgerenergiegenossenschaften und deren Dachverband. Über diese Kooperationspartner können Vereine vielfältige Hilfestellungen, wie den Zugang zu bezahlbarer Energie, die Vermittlung von Experten und Energieberatern oder Kontakte zu Investoren im Bereich Photovoltaik erhalten. Ferner beraten wir Vereine, wie Sportanlagen durch die Vermeidung von Mikroplastik nachhaltiger gestaltet werden können.
Redaktion BSB Nord: Das klingt sehr vielversprechend. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Verbesserung der Sportförderung. Welche Ziele verfolgt der BSB Nord in diesem Bereich?
Gert Rudolph: Wir setzen uns dafür ein, vereinsfreundlichere Rahmenbedingungen bei der Vergabe und Realisierung von Sportstättenbaumaßnahmen zu schaffen. Dazu treiben wir die Interessenvertretung gegenüber Politik, Wirtschaft und Kommunen voran. Die Arbeitsgruppe Sportförderrichtlinien im Landessportverband Baden-Württemberg (LSVBW), die wir leiten, erarbeitet konkrete Vorschläge und prüft eine Verbesserung der Sportförderung in allen Bereichen, sowohl bei investiven als auch bei nichtinvestiven Maßnahmen wie Kooperationen oder dem Einsatz lizenzierter Übungsleitender. Unser Ziel ist es, den Sportvereinen optimale Bedingungen zu bieten und ihre Entwicklung nachhaltig zu unterstützen.
Redaktion BSB Nord:Das klingt nach einem wichtigen Schritt für die Sportvereine. Ein weiteres Element des Aktionsplans ist die vernetzte Sportvereinsentwicklung. Können Sie uns hierzu mehr erzählen?
Gert Rudolph: Bei der vernetzten Sportvereinsentwicklung geht es darum, die Zusammenarbeit zwischen den Vereinen, Verbänden, der Politik und lokalen Akteuren zu stärken. Um die Belastung unserer Mitgliedsvereine zu verringern, werden wir gemeinsam mit den Sportkreisen das bestehende gute Netzwerk intensivieren und die Verbindungen zu Kommunen weiter stärken. Ziel ist es dabei auch, bei den Kommunen um Anerkennung und Wertschätzung der Sportvereine zu werben. Sporttreibende Bürger sind glückliche Bürger. Je attraktiver die Sportstätten in den Kommunen sind, desto, höher ist dort die Lebensqualität, was wiederum auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat. Konkret vernetzen wir uns aktuell intensiv mit allen Sportkreisen, analysieren die unterschiedlichen Schwerpunkte, um darauf aufbauend die Ressourcen noch besser bündeln zu können. Nach der bereits mit großem Erfolg durchgeführten „BSB.Plattform“ zum Thema Energie ist nun u. a. eine weitere Netzwerkveranstaltung „BSB.Plattform“ zum Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Vorbereitung.
Wir erhoffen uns, dass wir durch die intensivere Zusammenarbeit nicht nur Aufgaben bündeln können, sondern auch mehr Klarheit in die Vielfalt der (Sport-)Strukturen bringen und passgenaue Lösungen vor Ort ermöglichen. Eine enge Zusammenarbeit mit den Kommunen ist entscheidend, um die Bedürfnisse unserer Vereine bestmöglich zu unterstützen, aber auch um eine Einbeziehung des Sports in kommunale Entwicklungsprozesse zu gewährleisten.
Redaktion BSB Nord:Vielen Dank für die ausführlichen Erläuterungen. Ein letzter Punkt, den wir gerne ansprechen möchten, ist die Stärkung des Ehrenamts. Wie geht der BSB Nord hier vor?
Gert Rudolph: Um das Ehrenamt zu stärken, schaffen wir weitere Rahmenbedingungen, um Bildung noch moderner und niedrigschwelliger zugänglich zu machen. Wir legen großen Wert auf Qualifizierung und bieten beispielsweise eine neue digitale Lernplattform an. Zudem unterstützen wir die Fachverbände und Partner bei der Weiterentwicklung von Ausbildungen und setzen uns für dezentrale Fortbildungen ein. Durch Impulse und konkrete Unterstützung bei strategischen Entscheidungen möchten wir die Vereine bei ihrer zukunftsorientierten Weiterentwicklung unterstützen und berücksichtigen dabei u. a. digitale Lösungen. Wir möchten die Wertschätzung für das Ehrenamt weiter in die Öffentlichkeit tragen und bürokratische Hürden wirksam abbauen.
Redaktion BSB Nord:Vielen Dank, Herr Rudolph, für diese umfassenden Einblicke in den Strategieplan des Badischen Sportbunds Nord. Wir wünschen Ihnen und dem BSB Nord viel Erfolg bei der Umsetzung der Ziele.
Gert Rudolph: Ich danke der Redaktion für das interessante Interview. Gemeinsam mit unseren Mitgliedsvereinen, Fachverbänden und Sportkreisen werden wir die Zukunft des organisierten Sports in unserer Region erfolgreich gestalten und unsere bereits heute sehr umfangreichen Leistungen gemeinsam weiterentwickeln!